Eine kurze Geschichte der Perovskite

Vom Fund bis zur Erfindung

25.04.2024 | ANNA ETTLIN

Das Wort «Perovskit» beschreibt ein natürlich vorkommendes Mineral, aber auch eine ganze Reihe an hochspezialisierten synthetischen Verbindungen, die vielversprechende Anwendungen unter anderem in der Elektronik und der Photovoltaik haben. Aber was ist ihnen eigentlich gemeinsam? Wer hat sie ursprünglich entdeckt? Und welche innovativen Technologien entwickeln Empa-Forschende damit? Das ist das Thema der neuen Ausgabe des Empa Quarterly.

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Empa-Forschende, die unterschiedliche Anwendungen für Bleihalogenid-Perovskite entwickeln, machen sich ihre einzigartigen Eigenschaften zunutze. Illustration: Empa

1839 erhielt der deutsche Mineraloge Gustav Rose eine eigenartige Gesteinsprobe aus dem Uralgebirge. Eingebettet in den Stein war ein etwa sieben Millimeter grosser kubischer Kristall aus einem bis dato unbekannten Mineral. Rose nannte das neu entdeckte Mineral Perovskit, nach seinem Sponsor, dem russischen Adligen und Mineralogen Lev Perovski.

Erste Synthese
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Das Original: Perovskit wurde im Uralgebirge entdeckt. Illustration: Empa

Die bemerkenswerte Kristallstruktur des Perovskits wurde 1926 vom schweizerisch-norwegischen Wissenschaftler Victor Goldschmidt beschrieben. Sie basiert auf der chemischen Formel ABX3, wobei A und B positiv geladene Ionen – Kationen – sind. Bei X handelt es sich um ein negativ geladenes Anion. Beim ursprünglichen Perovskit, dem Calciumtitanoxid, sind A und B Calcium- beziehungsweise Titan-Kationen, X ein Sauerstoff-Anion.

Perovskite lassen sich aber auch aus anderen A-, B- und X-Komponenten herstellen. Besonders bekannt sind sogenannte Bleihalogenid-Perovskite. Sie enthalten an der B-Stelle Blei und X ist ein Halogen-Anion wie Chlorid, Bromid oder Iodid. An der A-Stelle ist ein grosses Kation zu finden, meist entweder Cäsium oder ein organisches Kation wie Methylammonium oder Formamidinium. Bleihalogenid-Perovskite sind gute Halbleiter, dessen Eigenschaften sich steuern lassen, indem man ihre genaue Zusammensetzung variiert. Sie lassen sich aus einfachen Chemikalien und Lösungsmitteln sowie aus Schmelzen herstellen, beispielsweise zu Dünnschichten oder grossen Monokristallen.

Empa-Forschende, die unterschiedliche Anwendungen für Bleihalogenid-Perovskite entwickeln, machen sich ihre einzigartigen Eigenschaften zunutze. 2014 haben Maksym Kovalenko und sein Team an der ETH Zürich und an der Empa, darunter Maryna Bodnarchuk aus dem Empa-Labor für Dünnfilme und Photovoltaik, erstmals winzige monodisperse Perovskit-Nanokristalle synthetisiert, sogenannte Quantenpunkte. Sie arbeiten weiterhin intensiv an der Materialentwicklung in diesem Bereich. Zudem forscht Kovalenkos Gruppe an Bildsensoren auf Basis von Dünnschicht-Perovskiten sowie an Detektoren für Gamma- und Röntgenstrahlung, die aus Schichten von Perovskit-Monokristallen bestehen.

Das Team von Empa-Forscher Fan Fu widmet sich Solarzellen aus Perovskiten, die mit hoher Effizienz und Flexibilität punkten. Auch das Labor für Funktionspolymere unter der Leitung von Frank Nüesch arbeitet an Perovskit-Solarzellen. 2020 ging aus dem Labor das Spin-off «Perovskia Solar» hervor, nur etwa 30 Jahre, nachdem Perovskit-Solarzellen erstmals beschrieben wurden – und 181 Jahre, nachdem Gustav Rose den kuriosen Kristall in Händen hielt.

Perovskite: Struktur und Anwendungen
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Empa Quarterly#83 Perovskite: Blick in den Kristall

Vor über 180 Jahren wurde im Uralgebirge ein kurioser Kristall entdeckt. Heute ist daraus eine ganze Materialklasse entstanden, die von grossem Interesse für die Forschung ist: die Perovskite. Gemeinsam ist allen Perovskiten ihre Kristallstruktur, die ihnen ungewöhnliche Eigenschaften verleiht. Ändert man die genaue Zusammensetzung des Perovskits, kann man diese Eigenschaften steuern. Genau das machen sich Empa-Forschende zunutze, die aus diesem vielversprechenden Material Solarzellen, Detektoren und Quantenpunkte entwickeln.

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