Portrait Nathalie Casas

Konsequent furchtlos

13.03.2024 | ANNA ETTLIN

Nathalie Casas leitet seit Oktober 2023 das Empa-Forschungsdepartement «Energie, Mobilität und Umwelt». Seit Kindheit mit Naturwissenschaften und Technik vertraut, glaubt sie daran, dass die Menschheit das Klima vor dem Kollaps bewahren kann – dass es dafür aber mehr braucht als «nur» Technologie.

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Entschlossen: Nathalie Casas machte in ihrer Karriere stets das, was sich richtg angefühlt hat. Bild: Empa

Eigentlich hatte Nathalie Casas gar nicht vor, zu promovieren. Doch als sie 2008 ihren Master in Chemieingenieurwissenschaften an der ETH Zürich abschloss, bot ihr damaliger Betreuer ihr eine Doktoratstelle an, die sie kurzerhand annahm. «Es war gerade so spannend», erinnert sie sich. Diese Neugier und der Mut, Pläne auch mal über den Haufen zu werfen, würden ihre Karriere prägen. «Ich hatte nie eine fixe Vorstellung davon, wie mein Weg aussehen sollte. Ich habe einfach immer das gemacht, was sich richtig anfühlte.»

Richtig angefühlt hat sich auch ihr letzter Wechsel: Seit Oktober 2023 leitet die Vierzigjährige das Empa-Departement «Energie, Mobilität und Umwelt». Das Thema ihrer Doktorarbeit, CO2-Abscheidung, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere, zuerst bei Sulzer Chemtech, später beim Schweizer Start-up Climeworks.

Nun kommen neue Fäden hinzu, was Casas besonders freut. «Wir haben ein sehr breites Spektrum an Forschung im Departement, von der Mobilität über Analytik und Umweltbilanzen bis hin zu Batterien», sagt sie. CO2-Abscheidung gehört – natürlich – ebenfalls dazu, aber damit hört es nicht auf: Empa-Forschende untersuchen auch, wie man das eingefangene CO2 weiterverarbeiten kann, um daraus wertvolle Werkstoffe und Materialien herzustellen. Casas: «Es ist unglaublich, was die Empa alles macht. Ich lerne jeden Tag etwas Neues.»

Von Zielen und Zufällen
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Casas glaubt, dass wir unsere Probleme lösen können, aber nicht nur mit Technologie allein. Bild: Empa

Die Liebe zu den Naturwissenschaften wurde Casas sozusagen in die Wiege gelegt. Ihre Mutter ist Mikrobiologin, ihr Vater Maschinenbauer. Während der Vater auf Geschäftsreisen war, nahm die Mutter das Mädchen an den Wochenenden mit ins Labor. «Ich durfte unter dem Mikroskop Bakterien zählen und kam mir dabei furchtbar wichtig vor», lacht Casas. «Mittlerweile vermute ich aber, dass meine Mutter diese Aufgabe nur erfunden hat, um mich zu beschäftigen.»

Als sie das Gymnasium abschloss, war Casas klar: Sie würde an der ETH Zürich studieren, entweder Chemie oder Materialwissenschaften. Es fiel ihr schwer, sich auf eine Studienrichtung festzulegen, also liess sie den Zufall entscheiden. «Für Materialwissenschaften hätte ich zuerst ein Praktikum machen müssen», erinnert sie sich. «Ich setzte mir einen Stichtag und sagte: Wenn ich bis dann eine Praktikumsstelle habe, studiere ich Materialwissenschaften.» Die Zusage fürs Praktikum kam drei Tage zu spät: Casas studierte folglich Chemie und Chemieingenieurwissenschaften.

Dass der Zufall so entschieden hat, bereut Casas nicht – schliesslich hat er sie nun doch wieder zu den Materialwissenschaften geführt, nun einfach als Managerin anstatt als Forscherin. So gerne sie auch während ihres Doktorats im Labor gearbeitet hat, die Arbeit mit Menschen liegt der neuen Departementsleiterin noch mehr. Sie sind es auch, die sie an der Empa besonders schätzt. «Die Leute hier sind sehr stark intrinsisch motiviert», sagt sie. «Sie sind begeistert von ihren Themen und von der Wissenschaft, und sie wollen damit etwas bewegen.»

Zusammen erreicht man mehr

Etwas bewegen können die Forschenden in Casas' Departement durchaus. Schliesslich sind Energie, Mobilität und Umwelt brennende Themen, die nicht nur die Empa und die Schweiz, sondern die ganze Welt beschäftigen. Denn die Klimaziele sind nur mit grossen gesellschaftlichen Veränderungen zu erreichen – und Veränderungen sind manchmal schmerzhaft, weiss Casas. «Viele klimaneutrale Lösungen sind gar nicht schlechter als die Technologien und Gewohnheiten, die wir heute haben. Es ist der Wandel selbst, der uns herausfordert», sagt sie.

Dieser Herausforderung ist die Empa gewachsen, glaubt die Departementsleiterin. «Wir haben sehr viel Knowhow, mit dem wir die Gesellschaft und die Industrie bei diesem Wandel unterstützen können», erklärt Casas. Als Beispiel nennt sie die Initiative «Mining the Atmosphere», die unterschiedlichste Forschungsgruppen und -ansätze vernetzt und so die Empa-Kräfte für den grösstmöglichen Impact bündelt. «Unser Vorteil an der Empa ist, dass wir auch einen ersten Schritt aus dem Labor rausgehen können. Mit unseren Demonstrationsplattformen move, ehub und NEST können wir der Gesellschaft und der Politik zeigen: Die Technologie ist da – und sie funktioniert in der Praxis», weiss Casas.

Werden Technologien wie CO2-Abscheidung also alles richten? Casas verneint entschieden. «Aufräumen ist immer teurer, als Emissionen erst gar nicht zu verursachen», erklärt sie. Die Technologie sei zwar zentral, um unvermeidbare Restemissionen zu kompensieren; zur gross angelegten Beseitigung von Autoabgasen und Co. sei das aufwändige Verfahren aber keine Lösung.

Seit sich Casas 2008 im Rahmen ihrer Doktorarbeit erstmals damit befasst hat, hat sich das Gebiet stark weiterentwickelt. Gleichzeitig nahm auch die Dringlichkeit zu. Trotzdem bleibt sie optimistisch. «Meine Generation ist die erste, die die Auswirkungen des Klimawandels spürt – aber auch noch etwas dagegen tun kann», sagt Casas. «Die Generation unserer Eltern war sich des Schadens noch kaum bewusst. Und unsere Kinder werden viel mehr mit den Folgen zu kämpfen haben. Wir spüren die Folgen, aber wir können noch einen grossen Teil davon verhindern – auch wenn es nicht einfach wird.»

Nathalie Casas

Werdegang: Nathalie Casas studierte Chemieingenieurwissenschaften an der ETH Zürich, wo sie 2008 ihren Masterabschluss erlangte und anschliessend auch doktorierte. Danach trat sie eine Stelle als «Application Manager» bei Sulzer Chemtech an, wo sie einen grossen Teil der Projekte zur CO2-Abscheidung betreute. 2017 wechselte Casas zu Climeworks, ein Spin-off der ETH Zürich, wo sie zunächst als «Head Development & Engineering» und später als «Head of Technology» arbeitete, bevor sie im Oktober 2023 zur Empa kam.


Redaktion / Medienkontakt


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